1-Watt-Verstärker

Das war der erste Verstärker, den ich in den 1970er Jahren gebaut habe. Er hatte die sagen-hafte Leistung von einem Watt. Es gab damals die Auffassung, daß man damit einen kleinen Saal beschallen und mit einem entsprechenden Lautsprecher gut Krach machen kann – wobei die Betonung wohl eher auf Krach zu legen ist.
Nun ja, laut genug, um Ärger mit den Eltern oder Nachbarn zu bekommen, war dieser 1-Watt-Verstärker auf jeden Fall… 🙂

Wie beim Detektorempfänger hat mir auch hier mein Onkel geholfen. Von ihm bekam ich die Schaltung und die Bauteile incl. einer Skizze, wie diese am Besten an zwei Lötösenleisten zu platzieren sind. Wenn ich mich richtig erinnere, war auch das ein Geburtstagsgeschenk. Gelötet habe ich das natürlich selber. Und am Ende hat es funk-tioniert! Heute gibt es für solche Endstufen Schaltkreise, die mit einigen wenigen Bauteilen drum-herum das gleiche liefern wie diese Endstufe. Mitte der 1970er Jahre war das anders. Zum Zeitpunkt des Bauens gab es selbst den A211 (2-Watt-Verstärker-IC aus dem HFO*) noch nicht. Damals war es schon fortschrittlich, daß in der Schaltung ein Silizium-PNP-Transistor verwendet wurden und die Endstufe ohne Übertrager arbeitete. In der damaligen DDR wurden zu der Zeit nur Silizium-NPN-Transistoren hergestellt, wie die hier verwendeten SF127. Für die komplementären PNP-Transistoren mußte man auf ausländische Typen zurückgreifen. In dieser Schaltung wurde ein KF517 von Tesla aus der damaligen ČSSR verwendet.

Zur Funktion der Schaltung:
Der Transistor T1 übernimmt im wesentlichen die Spannungsverstärkung der Endstufe. Diese wird vom Verhältnis R5/R6 bestimmt, R6 realisiert die Gegenkopplung des Aus-gangssignals. Die Kondensatoren C4 und C5 verringern die Gefahr der Eigenschwingung des Verstärkers. Für T1 wäre auch ein weniger leistungsfähiger Transistor als der SF127 einsetzbar, wie z.B. SC236 (30V/0,3W/0,1A) bzw. BC238.
Der Transistor T2 ist der Treiber für die eigentliche Endstufe. Mit dem Einstellwiderstand R7 wird die Mittenspannung am Pluspol von C6 auf halbe Betriebsspannung, hier 4,5 Volt, eingestellt. Die kollektorseitige Widerstandskombination geht nicht direkt nach Masse, sondern an den Lautsprecher. Das erweitert dynamisch die Aussteuerbarkeit von T2 (Bootstrap-Schaltung). Der kleine Gleichstrom, der durch den Lautsprecher fließt, ist unerheblich.
T3 und T4 bilden die Gegentaktendstufe. Da es Transistoren mit entgegengesetzter Polrität sind, benötigt man keine Phasenumkehrstufe. Die Basis von T3 ist direkt an den Kollektor von T2 gekoppelt. Die Basis von T4 bekommt einen mit R8 einstellbaren Potentialversatz. Damit wird der Ruhestrom der Endstufe auf ca. 5mA eingestellt. Das verhindert Verzerrungen bei kleiner Lautstärke (AB-Betrieb). Die parallel zu R8 liegenden Dioden bewirken in Verbindung mit R10/R11 eine Temperaturkompensation des Ruhe-stromes. C7 verringert den dynamischen Innenwiderstand der Stromquelle.
T3 und T4 sollten gekühlt werden, da sie bei längerem Betrieb mit hoher Lautstärke recht warm werden können. Ein gemeinsamer Kühler ist möglich, dann müssen die Transistoren aber isoliert montiert werden, denn bei den eingesetzten Typen ist das Metallgehäuse mit dem Kollektor verbunden.
Die Schaltung kann mit Batterien oder einem kleinen 9-Volt-Netzteil betrieben werden. Auf Grund der relativ geringen Stromaufnahme sind 2 Flachbatterien 3R12 mit je 4,5V eine gute Wahl. So habe ich damals den Verstärker betrieben.

Die wichtigsten Daten der Halbleiter:
– SF127: 66V/0,6W/0,5A    Vergleichstyp: BC140
– KF517: 40V/0,7W/1A        Vergleichstyp: BC160
– SAY30: 30V/30mA            Vergleichstyp: 1N4148

*) HFO – VEB Halbleiterwerk Frankfurt/Oder